In der Toskana stellten die Bauern einst in ihren alten Häusern auf dem Land den Vinsanto her. Jedes Jahr öffneten sie ein kleines Fass, das sie fünf Jahre zuvor gefüllt hatten, und erhielten einige wenige Liter eines wahren Nektars. Nur der Vorarbeiter durfte diesen Schatz behüten.
Einige Flaschen wurden in Keller eingeschlossen und für die Hochzeit der Kinder aufbewahrt. Andere wenige Flaschen wurden verschenkt. Der Priester und der Arzt gehörten zu den wenigen Privilegierten: Wenn Personen eines gewissen Rangs auf dem Bauernhof zu Besuch kamen, wurden sie mit einem Glas Wein begrüßt, wobei es sich jedoch nur sehr selten um Vinsanto handelte. In diesem Fall war es die höchste Ehrenbezeugung.
Wenn im Sommer die schweren Arbeiten wie die Getreideernte, das Dreschen per Hand oder das Besprühen der Weinstöcke mit Kupfersulfatlösung aus einer Rucksackpumpe begannen, und wenn die Hitze und die Müdigkeit die Kraft und Widerstandsfähigkeit der Bauern auf eine schwere Probe stellten, dann war der Moment des Vinsanto gekommen. Der Vorarbeiter selbst kam mit einem einzigen Glas, das er den Arbeitern reichte und jedem einen kleinen Schluck einschenkte. Dieses geschah bei gemeinsamen Pausen, beim gemeinsamen Scherzen, wenn man sich den Schweiß abwischte und vielleicht gemeinsam ein Lied sang.
Das alles geschah vor vielen, vielen Jahren. Dann verließen die Bauern die Höfe. Nur wenige Menschen blieben auf dem Lande. Es kamen die Traktoren, die Autos und die Fernseher. Der Vinsanto wurde nicht mehr hergestellt. Die Anforderungen konnten nicht mehr erfüllt werden. Das lag daran, dass viele weniger ergiebige Rebsorten, die jedoch den Geschmack und das Bukett des Weins verbesserten, langsam verschwanden. Vor allem aber hatte niemand mehr Zeit, die Trauben einzeln auszuwählen, auszubreiten und aufzuhängen, den Trocknungsprozess zu überwachen und dann, als ob dies nicht reichen würde, die Jahre des Reifens abzuwarten. Nein! Das war nicht möglich!
Dennoch: Die Jahre vergingen und immer mehr Menschen fragten nach ihrem alten und geliebten Vinsanto, aber den Vinsanto von einst gab es nicht mehr.
Schließlich fand nach vielen Hilferufen das Wunder statt. Plötzlich kamen von überallher viele, viele Flaschen mit einem Wein dieses Namens. Die Regale der Kneipen füllten sich. Die Gasthöfe boten diesen Wein allen Gästen an. Der Preis war niedrig.
Aber Wunder sind kurzlebig. Die Euphorie für diese Neuigkeit verschwand recht bald wieder. Aber dieses war folgerichtig.
Um einen echten Vinsanto herzustellen, kann man keinen einfachen und schnellen Wegen folgen; man darf nicht nur die weißen Trauben verwenden, die bei der Vinifizierung der Rotweine ausgelesen wurden. Es sind geeignete Weinstöcke nötig, die nur zur Herstellung dieses Weins angelegt werden. Alles andere ist möglich, wenn man nur von guten Trauben ausgeht, viel Zeit hat, sehr viel in Pflege investiert und viel Liebe und Leidenschaft beweist.
Das ist die Herausforderung, der sich Abbadia Ardenga stellt.
Dieser steinige und trockene, jedoch gleichzeitig wunderbare Boden, den die Mönche von Coldibuono vor vielen Jahrhunderten auswählten, um ein Kloster zu errichten und Weinstöcke zu setzen, liegt in Montalcino, wo weltberühmte Weine produziert werden. Hier produziert der Betrieb eine kleine Menge dieses speziellen, ursprünglichen Weißweins, wie man ihn einst herstellte. Unübertroffen nach dem Essen als Begleiter zu trockenem Gebäck, ein wunderbarer Wein, der jede einfache Zusammenkunft in einen unvergesslichen Moment verwandelt.
Aus den Erzählungen „Scarpe grosse“
Mario Ciacci